Neues aus der Fachschule

Projektwoche 2014: Comics zeichnen mit Kindern und Jugendlichen

Dokumentation und Reflexion des Projektes unter der Leitung von Susanne Peter

TAG 1
Die Teilnehmer stellten sich in Bezugnahme auf ihre Lieblingscomics und Leseerfahrungen vor. Es wurden unterschiedliche Vorlieben und Zeichenerfahrungen deutlich, der Großteil wirkte sehr motiviert.
Nach einem kurzen Abriss über die Comicgeschichte, begann ich mit basalen Zeichenübungen zum Thema Ausdruckselemente im Comic. Diese Einheit gestaltete ich interaktiv, in dem ich die Teilnehmer ihr Wissen präsentieren ließ, indem sie selbst Beispiele zum Thema an die Tafel zeichnen durften. Mimische Partnerübungen, bei denen ein Partner zu Gefühlsausdrücken grimassiert, der andere diesen abzeichnet und danach ein Rollenwechsel stattfindet, lockerten die Arbeitsatmosphäre in der Gruppe auf. Ein reges Interesse an der Vielzahl der von mir mitgebrachten Comics, welche die Teilnehmer auch als Vorlage zum Abzeichnen nutzen konnten, war beobachtbar.
Nach der Pause wurde der Selbstbildungsprozess der Teilnehmer angeregt, indem ich sie in Kleingruppen über Comichelden und deren Eigenarten recherchieren ließ und sie anschließend der Gruppe ihr Wissen vortrugen. Die Funktion des Heldenund Antiheldentypus als Identifikationsfigur und Hilfsegos für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen stand dabei im Mittelpunkt. Ein Teilnehmer empfand die zum Teil holzschnittartige Darstellung mancher Comichelden als diskriminierend und merkte zu Recht an, dass Minderheiten (Farbige, Behinderte) kaum im Heldentypus auftauchen. Ich begann eine kritische Diskussion mit den Teilnehmern und verwies auf einem Comic basierenden Zeichentrickfilm „Persepolis“, den ich den Teilnehmern am kommenden Tag präsentieren werde (iranisches Mädchen als Hauptfigur).

TAG 2
Um die Darstellung von Körperproportionen vorzubereiten, startete ich Tag 2 mit Lockerungsübungen für den Körper. Die Gruppenmitglieder sollten einfache Bewegungen demonstrieren, welche von der Gruppe imitiert wurden. Vereinfachungsübungen und skizzenhafte Erfassung von körperlichen Bewegungen standen im Anschluss im Vordergrund.
Besonders hervorheben möchte ich die Arbeit in Kleingruppen, in denen ein Teilnehmer in einer Bewegung eingefroren, „Modell“ stand und die anderen ihn abzeichneten. Hierbei wurden bei manchen Teilnehmern Schwierigkeiten im Umgang mit ihrer Körperlichkeit deutlich, da sie sich meines Erachtens aus mangelndem Selbstbewusstsein eher unreif verhielten, in dem sie die Übung lächerlich machten. Andere hingegen arbeiteten sehr konzentriert und stellten Rückfragen und feilten an ihrer Zeichenkunst. Mir ist/war es daher wichtig zu erwähnen, dass die künftigen Erzieher als Rollenvorbild einen besseren Bezug zu ihrer Körperlichkeit entwickeln sollten, um zukünftig gelassener an solche Aufgaben herangehen zu können. Ich musste in dieser Hinsicht an die PsychomotorikSeminare in meiner Ausbildung denken, welche ich in dieser Hinsicht als sehr hilfreich empfand.


Weitere Inhalte des Tages:
Comic als Instrument der Selbstwahrnehmung und Kommunikation nutzen

  • Befindlichkeit darstellen durch folgende Aufgabe: Auf der linken Seite des Papiers sollten die Teilnehmer eine Zeichnung für ihr Befinden am Morgen erstellen, rechts ihre aktuelle Befindlichkeit zeichnen
    Die Teilnehmer zeichneten sich und ihre Befindlichkeit (als Comicfigur, zum Teil umgeben mit Symbolen wie Herzen/Uhren und Blitzen) und kamen darüber miteinander ins Gespräch.
  • Transfer:
    Diese Übung empfiehlt sich für die Arbeit mit Jugendlichen. Sie bietet einen guten Gesprächseinstieg, um sich mit Jugendlichen an emotionale Themen anzunähern.
    Zur DVD „Perspolis“ von Marjane Satrapi bekamen die Teilnehmern in Kleingruppen Beobachtungsaufgaben, um die Verbindung zwischen Inhalt (Entwicklungsgeschichte in Kriegszeiten, Migration, Besonderheit der weiblichen Heldin, Phantasie als Hilfe im Umgang mit schwieriger Realität)und Zeichenstil zu erkennen. Die Ergebnisse stellten sie im Anschluss des Filmes den anderen Teilnehmern vor und zur Diskussion.

TAG 3
Eine Regelmissachtung vom Vortag (Flaschen und benutztes Geschirr wurde in den Räumen vergessen) thematisierte ich zunächst symbolisch, in dem ich ein Bild dazu zeichnete und die Teilnehmer ein Comic daraus gestalten ließ. Ein „Aha-Effekt“ trat ein, der nachhaltig wirkte (die Schüler hielten sich in den folgenden Tagen an die Aufräumregeln) und es entstanden sehr phantasievolle Comics aus dieser Vorgabe. Dies war eine der einfachen Übungen, welchen der Mehrzahl der Teilnehmer verdeutlichte, dass sie bereits in der Lage waren, auf einer simplen Anregung aus dem Alltag basierend, witzige Comics entstehen zu lassen. Diese wurden an der Tafel ausgestellt und von allen bewundert.
Transfer in den Berufsalltag künftiger Erzieher: Welche Regeln herrschen in den Einrichtungen, in denen die Teilnehmer arbeiten vor? Mit Kindern und Jugendlichen Regelplakate zu zeichnen erleichtert den Diskurs darüber und eröffnet ihnen eine Möglichkeit der Partizipation am Regelbildungsprozess.
Weitere Themen

  • Hintergründe zeichnen /Welche Effekte erzielen Hintergründe?
  • Steckbrief eigene Comicfigur/Hauptfigur

Eine Hauptfigur/ein Held kann zu Identitätsfindung (auch in der Pubertät) beitragen und dient häufig als Projektionsfigur zur Mobilisierung von unbewussten Kräften. Kleine Kinder erfinden Phantasiefiguren, die ihnen helfen, sich im Alltag stark und nicht alleine zu fühlen (können das was man nicht vermag). Die Heldenfigur kann sich zu einem Alter Ego entwickeln. Im Comic können auch Hauptfiguren eine verletzbare Seite haben oder tapsig und emotional sein (Donald Duck). Es sind häufig die „Antihelden“, die Kinder faszinieren und mit denen sie sich identifizieren. Daraufhin folgte ein kurzes Brainstorming: Wie kann man Kinder Jugendliche motivieren ihre Hauptfigur zu finden (Steckbriefe, Collagen, anhand von Lieblingscomics, Fernsehserien, Idolen).
In einer Gruppenarbeit setzten sich die Teilnehmer mit Klischees/Stereotypien und Umgang mit Minderheiten in Comics und mit den Ursprüngen und Zeichenstilen von Mangas auseinander. Am Nachmittag stellte ich meine Planung für die kommenden Tage vor und ließ ich die Teilnehmer an der Gestaltung der übrigen Zeit partizipieren, in dem ich sie nach ihren Wünschen fragte. Die meisten wünschten sich weitere Detailzeichenübungen zu Gesichtern, Perspektivische Übungen und die Eröffnung weiterer zeichnerischer Möglichkeiten zur Darstellung von Dreidimensionalität (Licht und Schatten).

TAG 4
Die Teilnehmer begannen ihre eigene Comicgeschichte zu zeichnen. Ich begleitete deren Entwicklung, gab Impulse und Anregungen. Manche stellten einen hohen Anspruch an sich und zeigten eine geringe Frustrationstoleranz, wenn sie nicht sofort zum Ziel kamen. Mir war es wichtig, ihnen zu vermitteln, dass Einfachheit vor Komplexität steht, die Entstehung eines Comics viel Zeit benötigt. Im Umgang mit ihren Schwierigkeiten konnten die Teilnehmer lernen, die Jugendlichen zu motivieren, wenn diese an ihre Grenzen kommen. Ich ging hierzu von Teilnehmer zu Teilnehmer, ermutige, gab zeichnerische Impulse und lobte.
Danach wurden die Ergebnisse der Gruppenarbeit vom Vortag vorgestellt. Insbesondere sind hier die Ergebnisse der ersten Gruppe hervorzuheben:

  • Klischees sind im Comic nicht immer abwertend, sondern auch Stilmittel der humorvollen Übertreibung
  • Manche Darstellungen sind dennoch diskriminierend (Darstellung der Farbigen in Asterix u.a.)
  • Es gibt bereits farbige Comichelden, Behinderte leider kaum

In Bezugnahme auf japanische Zeichenkunst und zur Anregung der Phantasie, zeigte ich einen Filmausschnitt aus der DVD „Mein Nachbar Totoro“ von Hayao Miyazaki.

Transfer in den Erzieheralltag: Was brauchen Kinder, wenn sie sich alleine fühlen, was teilen sie mit ihrem besten Freunden? Kurze Diskussion, wie Trickfilme und Comics für eine solche Thematik nutzbar gemacht werden können.
Mit perspektivischen Zeichenübungen im Raum und im Außenbereich und Gesichtsstudien ging der vorletzte Tag kreativ zu Ende.

TAG 5
Die Teilnehmer zeichneten an ihrem Comic weiter, manche beendeten es. Es herrschte ein reger Austausch untereinander, zudem waren bei vielen Teilnehmern Müdigkeitserscheinungen spürbar.
Zur Präsentation meines Comic Projektes mit Grundschulkindern erläuterte ich meine Vorgehensweise und didaktischen Methoden. Die Teilnehmer stellten interessierte Fragen zu Vorgehensweise und Material. Ebenso wurde der adäquate Umgang mit Jugendlichen, welche im Comic Gewaltdarstellungen zeichnen, thematisiert. Es wurde deutlich, dass einige sich mit der Symbolkraft und Bedeutung kindlicher Zeichnungen gut auskennen. Ziel hierbei ist es den Aufbau eines kreativen Projektes nachzuvollziehen und die Teilnehmer zu befähigen, Comics als emotionale Ausdruckform für die Entwicklung der Jugendlichen nutzbar zu machen.
Danach sammelte die Gruppe Erfahrungen mit der Darstellung von Dreidimensionalität in Bezug auf Schraffuren und Lichtund Schatteneffekten. Ich beleuchtete dafür ein Objekt im abgedunkelten Zimmer. Insbesondere das Experimentieren mit Zeichenkohle eröffnete den Raum für neue Darstellungsformen und expressive Zeichnungen.
Das„Making of“ des Filmes Persepolis vermittelte einen Eindruck der Möglichkeiten, aus Comicvorlagen Zeichentrickfilme entstehen zu lassen.
Im Feedbackgespräch wurden noch offene Fragen aus der Projektwoche besprochen. Danach dankten mir einige Teilnehmer für die vielfältigen Anregungen, manche werden daraus eigene Projekte entwickeln, viele wurden sich ihrer Kreativität bewusst, welche durchs Comiczeichen spielerisch gefördert wurde.

Reflexion/Resümee
Eine kreative, vielseitige Woche geht für die Teilnehmer und mich zu Ende. Ich bin beeindruckt über die Wissbegier und die Experimentierfreude vieler Schüler. Viele hatten bereits bei einfachen Übungen Erfolgserlebnisse. Manche Fragen regten mich dazu an, meine Comicund Zeichenbibliothek zu durchforsten, um Materialien zu ergänzen und den Bedürfnissen der Teilnehmer sich zeichnerisch weiter zu entwickeln, entgegen zu kommen.
Die Begleitung und Förderung einzelner unsicherer Zeichner erforderte bei einer solchen Gruppengröße die Geduld geschickterer Zeichner unter den Teilnehmern. Zweiteren erteilte ich häufig kleine Sonderaufgaben. Manchen wurde im Zeichenprozess deutlich, dass kreatives Arbeiten eine Mischung aus konzentrierter Übung und Experimentierfreude darstellt.
Einige waren meines Erachtens zu selbstkritisch im Umgang mit ihren Werken, betrachteten sie zu defizitorientiert. Anderen fiel es schwer nachvollziehen, dass einfache Vorübungen nötig sind, um sicherer zu zeichnen und Ideen weiter zu entwickeln. Übung macht den Meister! Das wurde Im Verlauf des Kurses vielen deutlich. Ebenso, dass Meisterschaft etwas mit Zeichenfreude und Mut zu tun hat und weniger mit dem Anspruch vieler Erwachsener, etwas Schönes zu kreieren. Bei einer kleineren Gruppengröße wäre es für mich leichter umsetzbar gewesen, diesen Prozess individuell zu begleiten.
Zum Teil wurde aufgrund des umfangreichen Zeitbudgets und der Wissbegier der Schüler die Projektwoche zu einer Mischung aus ComicKunstund Sozialpsychologieunterricht.
Mein beruflicher Werdegang (therapeutischer und pädagogischer Background) erleichterte es mir, die mit dem zeichnerischen Ausdruck verbundene Symbolebene zu verdeutlichen. Methodenvielfalt war mir bei diesem Projekt wichtig, um es den Teilnehmern zu erleichtern, durch ihre Erfahrung im kreativen Prozess auf die Metaebene zu wechseln. Ich habe sie einige Themen selbst recherchieren lassen, um von der Selbstbildung zur Bildung zu gelangen. Der Mehrzahl der Teilnehmer sagte diese Vorgehensweise zu.

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